Was Du nicht testest kann Deine Firma töten

Was Du nicht testest kann Deine Firma töten

In meinem früheren Leben war ich am Experimental-Physiker. Mein Professor, Dr. Dennis an der UGA, hat mir einmal gesagt: „Du machst ein Experiment genau zweimal: Einmal schnell und einfach, um zu sehen, ob es gelingen kann. Wenn es gelingen kann, machst Du es einmal best-möglichst um zu sehen, was das Resultat ist.“

Nachdem wir dann medizintechnikmarkt.de gegründet hatten und ich mich mit den Lean-Start-Up Methoden auseinandergesetzt habe, habe ich dieses Konzept im „MVP“ wiederentdeckt.

Das Minimal Valuable Product  (MVP) ist eine spezielle Ausprägung des Tests. Es geht tatsächlich darum das zu lösende Problem zu lösen. Nicht unbedingt auf die geplante Art und Weise, aber auf eine schnelle und einfache Art. Für mich das beste Beispiel: Bau keine schlechte oder kleine Drohne, sondern miete einen Helikopter, wenn Du so das Problem lösen kannst.

Das eine dauert immer noch Monate während das andere Tage braucht.

Wenn dann Kunden Deinen MVP nutzen, kannst Du ihn einstampfen und das richtige Produkt bauen. So die Theorie.

Ich habe für mich die Notwendigkeit des MVPs etwas weiter gefasst und sehe, je nach Situation, auch andere Arten des Tests als wertvoll und notwendig an. Man muss das Problem in einem Test nicht wirklich lösen um zu erfahren, ob Kunden für die Lösung Geld zahlen würden. Es reicht in manchen Momenten die Lösung zu bewerben und die Reaktion zu messen. Also: Wenn Du eine Anzeige in Deiner lokalen Zeitung schaltest und die Besucher auf eine Newsletter SignUp Seite schickst – kann das wertvolle Erkenntnisse liefern. Wenn niemand auf Deine Webseite kommt, kann die Erkenntnis sein: Du hast eine schlechte Anzeige gemacht. Print ist nicht der Kanal für Dein Produkt. Deine Lösung interessiert niemanden.

Wie in der Physik kannst Du eine Hypothese niemals beweisen – Du kannst sie nur widerlegen. Wenn Deine Hypothese also ist: „Print Anzeigen kannst Du selber machen und sind das perfekte Medium um Dein super Produkt zu bewerben.“ Dann kannst Du diese Hypothese widerlegen oder weiter auf dieser Hypothese aufbauen. Idealerweise kannst Du den Test auf eine Variable reduzieren (also z.B. drei verschiedene Anzeigen zu drei leicht oder auch radikal anderen Produkten – um dann zu sehen, was die Reaktion ist).

Wichtig ist hier der Aufwand: Ein guter erster Test sollte nicht mehr als 1-3% der Ressourcen kosten, die das echte Produkt kosten wird. Wenn das Produkt also 1 000 Stunden Entwicklung kosten wird und ein Werbebudget von 40 000€ haben soll – dann sollte der Test in einer halben Woche mit einem Werbebudget von 500€ durchgeführt werden können.

Gefahren durch zu viel Geld

Gerade wenn Geld da ist (z.B. direkt nach der ersten großen Funding-Runde) ist die Verlockung groß einfach in einer langen Waterfall Entwicklung die Gründervision in ein volles, fertiges Produkt zu gießen. „Waterfall“ weil die Entwicklung lange ruhig und stetig verläuft um dann in einem großen „Fall“ auf den Markt gespült zu werden. Hier wird wenig mit Kunden getestet und auf den Instinkt des Product-Owners vertraut.

Je mehr Geld da ist desto länger, teurer und komplexer wird diese Entwicklung sein.

Häufig wird während der Entwicklung eine Kostenstruktur aufgebaut, die dann einen großen und schnellen Erfolg des Produktes voraussetzt. Wenn dieser Erfolg nicht eintritt (und er tritt in 99% der Fälle nicht oder nicht sofort ein) – dann tötet diese Kostenstruktur die Firma sehr schnell. Die Kosten können in der Entwicklungsabteilung selber liegen (wir brauchen ja viel Kompetenz Inhouse), im Customer Service (den wir ja brauchen, wenn die halbe Menschheit morgen unsere App nutzt), die technische Infrastruktur (wir dürfen ja nicht unter dem Demand zusammenbrechen wenn wir viral gehen) oder in Beratern (wir müssen ja die Kompetenz einkaufen).

Bei uns waren es oft schleichende Prozesse – sogenannter Scope-Creep. Gerade MVPs zu komplexeren Ideen (wie sollen wir das anders testen?) wurden häufig zu groß und dauerten zu lange im Bau.

Wir haben als grundsätzliches Mantra für neue Ideen: Wie können wir das testen?

Und dann geht es darum es möglichst einfach, schnell aber auch möglichst repräsentativ zu testen. Gute und einfache Tests sind harte Arbeit und fordern Disziplin.

Die Proxy-Alternative

Manchmal findet man aber auch gute „Test Resultate“ durch Proxys. Ich mag zum Beispiel den Proxy: Wird es einen Markt für die Miete von selbstfahrenden Autos geben? Uber und Lyft können hier gute Proxys sein.

Wenn Du ein Buch schreiben möchtest kann ein Blog ein guter Proxy sein. Hier kannst Du testen, welche Themen besonders interessieren. Du kannst auch Deinen Schreibstil testen und Dein Publikum besser verstehen, bevor Du in langen Stunden ein Buch schreibst, das niemand lesen möchte.

Ein erfolgreicher MVP ist nicht das Produkt

Ein Problem, dass mit digitalen MVPs auftauchen kann, ist, dass es sehr schnell „das Produkt“ werden kann.

Häufig haben wir Ideen erfolgreich mit einem MVP getestet, um dann das MVP praktisch unverändert zu nutzen. So haben wir sehr schnell ein Gesamtprodukt gebaut, dass zwar vom Kunden gut akzeptiert wurde, aber wenig robust war. Ich sehe einige Start-Ups die auch Jahre nach dem Launch Services wie GoogleForms oder TypeForm als Hauptinteraktion nutzen. Diese Werkzeuge sind super, wenn es um den schnellen Test geht – aber es lohnt sich eben auch in eigene Technik zu investieren.

Nach dem MVP ist vor dem MVP

Es besteht auch die Gefahr, dass man sich nicht mehr die Mühe macht zu verstehen, welcher Teil warum gut funktioniert – um dann die nächste Generation des MVPs zu bauen.

Mein Lieblingsbeispiel hier ist: Start-Up CEO: „Wir haben den Preis verdoppelt und die Conversionrate ist konstant geblieben.“ Start-Up Mentor: „Okay, wann verdoppelt ihr das nächste Mal?“ Start-Up CEO: „Warum sollten wir – so reicht doch.“

Es macht Sinn eine wirklich erfolgreiche Änderung weiter zu denken. Kann ich diesen Erfolg wiederholen indem ich die Änderung wiederhole? Das Anmeldeformular noch kürzer machen. Den CallToAction noch größer machen. Den Kunden noch mal anrufen. Noch eine weitere Email schicken. Einen noch schnelleren Cloud-Service nutzen. Whatever.

Sei nie zufrieden

Hör nie auf zu testen. Alternative Produktvarianten können und werden Deine Firma weiterbringen. Neue Ideen sollten schnell und einfach durch Kundenfeedback bewertet werden.

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